MARIA CEPPI
CHIMÄRA
11 September - 15 November 2025








EXHIBITED WORKS:
PRESS RELEASE in English (deutsche version unten verfügbar)
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It is always a bit of a test of the imagination when you access Maria Ceppi's works from the Hybrid Shapes group. Almost like a Rorschach test. What is required is free association of what you see. At first glance, they appear either surreal and alien, somewhat peculiar, or you recognise familiar objects. This also depends on your own cultural background. The object, the sculpture, will therefore immediately say something about you, the viewer. Have you ever been fishing? Do you know what a float is? Do you remember how it feels to squeeze your parents' already porous pipette between your fingers? Were you in the military? Then you may immediately recognise that the cartridge case in the work Pulp does not belong to a firearm? Do you have children? Then you know what you have to use to brush their teeth at the beginning. Is that a breast with a red nipple growing out of the bra? Or are you just falling for a cliché? The game is deliberately driven by Ceppi. Objects interlock and create a harmonious new whole. A hybrid creature consisting of different original biological and artificial materials that unite to form an organism. As with the ancient Greek mythical figure Chimera, attraction and wondrous awe are evident when approaching it.
While the creation of chimeras (hybrid creatures) would be ethically unacceptable in medicine, art allows the creation of such multilayered, charged objects. Originally very small and made from real organic material and found objects (Objet Trouvé), the Hybrid Shapes have been recreated in an oversized format using the most elaborate craftsmanship. Bronze, silicone, 3D printing, aluminium – depending on the nature of the original material, the most suitable material is chosen to recreate faithfully the small original on a large scale.
Everyday consumer goods are paired with decayed plants. The one was once alive, the other we may have attributed an aura to, depending on the personal and particular history we associate with the object. What was previously private – the hair clip, the shoe sole, the ceramic shard found on the beach at Wunderbar – is now large and present. Public.
The objects in their fullness and their potential connections tell the story of consumption, capitalism, object -obsessions or -love. But they also speak of small personal, often unconscious, subtle stories – of feeling, touching, sensing. The idiosyncrasy – the “totality of personal characteristics, preferences and aversions” – is closely examined. The size of the sculpture is perhaps also a physical manifestation of the emotional importance that is secretly attributed to the original object, or the actual metaphorical weight of the object as it occupies our everyday lives from a bird's eye perspective. The larger it is, the more significant it is, or at least as large, because it is at least as important, in fact.
However, the game that Ceppi plays so well lies in the interplay between beauty, perfection and interpretative power. Who would think of the devastating allure of drugs, smuggling, illegality, prison, border control and immigration when looking at the work Opiumfence? The dried poppy flower sits in a ring velvet cushion, which in turn is embedded in a wire mesh fence tensioner. Or is it in fact a memento mori?
Everything revolves around the twistedness and absurdity of our interconnected global world and our own behaviour. And at the same time, everything is so beautifully and longingly designed. The criticism on the object, on consumption, is on the same level as an ode to the object, a love for the tool, and the hidden joys that come with it. Just think of the work Afterwork, in which a pink rose was created from a reusable rubber glove turned inside out – presented on a silver powder box.
The object as a sceptre, full of personal references and stories to which we are attached or which we have attached to it. Ceppi's works bring to mind the vastness of the world and its interconnectivity. Here, what is private, and yet shared by us all, becomes a cultural asset. Her works lead the viewer to realise how similar we “individualists” really are.
(Written by Fabian Lang)
PRESSETEXT auf deutsch
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Es ist immer auch ein bisschen eine Phantasieprüfung, wenn man sich Maria Ceppi’s Werke aus der Hybrid Shapes Gruppe erschliesst. Fast schon ein Rorschachtest. Gefragt ist freies Assoziieren des Gesehenen. Auf den ersten Blick wirken sie entweder surreal fremd, etwas eigenartig, oder man erkennt vertraute Objekte. Das kommt auch auf den eigenen kulturellen Hintergrund drauf an. Das Objekt, die Skulptur, wird also sogleich auch etwas über Sie, den Betrachter aussagen. Haben sie schon mal gefischt? Wissen sie was ein Schwimmer ist? Erinnern sie sich daran, wie sich das zusammendrücken, der schon porösen Pipette ihrer Eltern zwischen den Fingern anfühlt? Waren Sie im Militär? Dann erkennen sie womöglich gleich, dass die Patronenhülse im Werk Pulp nicht zu einer Schusswaffe gehört? Haben Sie Kinder? Dann wissen sie ja, mit was man denen am Anfang die Zähne putzen muss. Ist das ein Busen mit rotem Nippel, der aus der Spange wächst? Oder verfallen sie da gerade einem Klischee? Das Spiel wird bewusst getrieben von Ceppi. Objekte greifen ineinander und ergeben ein harmonisch Neues. Ein Mischwesen, das aus unterschiedlichen ursprünglich biologischen und künstlichem Material besteht, das sich zu einem Organismus vereint. Wie bei der altgriechischen Mythenfigur Chimära, ist Anziehung und wunderliche Ehrfurcht bei Annäherung einem gewahr.
Während die Erzeugung von Chimären (Mischwesen) in der Medizin ethisch unvertretbar wäre, kann man das eben in der Kunst, und so ein vielschichtiges, aufgeladenes Objekt schaffen. Im Ursprung mal ganz klein und aus echten organischem Material und gefundenen Objekten erstellt (Objet Trouvé), sind die Hybrid Shapes überdimensional und nach aufwendigster Handwerkskunst nachgebaut. Bronze, Silikon, 3D Druck, Aluminium, je nach Ursprungsmaterialität, wird das geeignetste Material gewählt, um das kleine Original detailgetreu in Gross nachzuempfinden.
Alltägliche Konsumgüter paaren sich mit abgestorbenen Pflanzen. Das eine war mal lebendig, dem anderen haben wir vielleicht eine Aura zugesprochen, je nachdem welche persönliche und besondere Geschichte wir mit dem Objekt verbinden. Was vorher privat war - die Haarspange, die Schuhsole, die am Strand von Wunderbar gefundene Keramikscherbe - ist jetzt ganz gross und präsent. Öffentlich.
Die Objekte in ihrer Fülle und ihren Verknüpfungmöglichkeiten erzählen die Geschichte von Konsum, Kapitalismus, Objektobsessionen oder -liebe. Aber auch ganz private kleine, einem selbst nur unbewusst bekannte, feine Geschichten des Fühlens und des Berührens und Spürens. Die Idiosynkrasie - die „Gesamtheit persönlicher Eigenheiten, Vorlieben und Abneigungen“ - wird unter die Lupe genommen. Vielleicht ist die Grösse der Skulptur auch eine physische Manifestation der emotionalen Wichtigkeit, die man dem Urspungsobjekt insgeheim beimisst, oder die eigentliche metaphorische Wucht des Objektes, das es im Vogelblick auf den Alltag einnimmt. Je grösser desto gewichtiger oder mindestens so gross, weil mindestens so wichtig, eigentlich.
Das Spiel das Ceppi jedoch so gut betreibt, liegt zwischen der Wechselwirkung von Schönheit, Perfektion und Deutungswucht. Wer denkt schon an die verheerende Verlockung von Drogen, an Schmuggel, Illegalität, Knast, Boardercontrol und Immigration beim Anblick des Werks Opiumfence? Die vertrocknete Mohnblume sitzt in einem Ringsamtkissen, das wiederum auf einem Maschendrahtzaunspanner eingebettet ist. Oder ist es gar ein Memento Mori?
Alles geht irgendwie um die Verdrehtheit und Absurdität der globalen, miteinander verknüpften Welt und unserem eigenen Verhalten. Und gleichzeitig ist alles so wunderschön und sehnsuchtvoll gestaltet. Mit so viel Liebe, Witz und Ehrfurcht. Die Kritik am Objekt, am Verbrauch, ist auf einer Ebene mit einer Ode an das Objekt, einer Liebe für das Tool, und die versteckten Freuden damit. Denken sie nur an das Werk Afterwork in dem eine rosarote Rose aus dem nach aussen gestülpten Mehrweg-Gummihandschuh gestaltet wurde - präsentiert auf einer silbernen Puderdose.
Das Objekt als Zepter, voller persönlicher Referenzen und Geschichten, an denen wir hängen oder wir ihm anhängen. Die Grösse der Welt und ihre Interkonnektivität kommt bei Ceppis Arbeiten in den Sinn. Hier wird das Private, das wir alle gemein haben, Kulturgut. Ihre Werke führen beim Betrachter zur Realisation, wie ähnlich, wir “Individualisten”, uns doch sind.
(Geschrieben von Fabian Lang)